„Es raubt einem immer wieder aufs Neue den Atem, wenn man sich klar macht, welche grausamen Verbrechen in deutschem Namen während des zweiten Weltkriegs auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion begangen wurden.“ Mit diesen Worten fasst Friedrich von Mansberg, Vorsitzender der SPD in Lüneburg, die Eindrücke von einem Ortstermin zusammen, der den erweiterten Vorstand sowie die Ratsfraktion der Sozialdemokraten am späten Montag Nachmittags gemeinsam zum Gedenkstein für die Gefallenen der 110. Infanteriedivision führte.
Vor Ort informierte sich die SPD über die Geschichte der Division, von ihrer Aufstellung bis zu ihrem Ende 1944. Ausführlich wurden die Ereignisse um die Lager in der Nähe von Osaritschi thematisiert, in dem die deutsche Wehrmacht zahllose Zivilisten, vor allem Alte, Frauen und Kinder, im März 1944 zusammentrieb und dem sicheren Tot überließ. Binnen einer Woche starben mindestens 9.000 Menschen. Es ging darüber hinaus aber auch um die Geschichte des Steins selbst, der 1960 aufgestellt wurde und über lange Jahre Ort von Veteranentreffen war, zunächst mit enger Begleitung durch die Stadt.
„Der Stein geht in keiner Weise auf die Opfer unter der Zivilbevölkerung ein, und auch die erklärende Tafel, die nach unserer Überzeugung zu weit entfernt aufgestellt wurde, macht das wahre Ausmaß der Verbrechen nicht hinreichend deutlich“, sagt Klaus-Dieter Salewski, SPD-Fraktionsvorsitzender im Rat. „Das Schild muss überarbeitet und das Gedenken an die Opfer deutlicher gemacht werden.“ Hiltrud Lotze, bis vor einem halben Jahr im Deutschen Bundestag mit Fragen der Gedenkkultur befasst, verwies auf den Umgang mit einem ähnlichen Gedenkstein in Karlsruhe: „In einem breit angelegten Verfahren hat man sich dort mit der Geschichte auseinandergesetzt und schließlich auf einer Stehle neben dem Gedenkstein die Verbrechen der Wehrmacht dokumentiert und kommentiert.“
Friedrich von Mansberg ergänzt: „Schnelle Entscheidungen halten wir für wenig zielführend. Das neu zu schaffende ‚Forum Gedenkkultur Lüneburg’ muss zeitnah seine Arbeit aufnehmen, alle am Prozess Interessierten einbeziehen und alle umstrittenen Erinnerungsorte erneut in den Blick nehmen. Dabei kann auch darüber nachgedacht werden, ob ein Kunstwerk in unmittelbarer Nähe zu diesem Stein das Gedenken an die Opfer der Division zum Ausdruck bringen kann. Eine Verhüllung oder gar der Abbau des Steins kommen für uns allerdings nicht in Frage. Gerade die schwierigen Aspekte unserer Geschichte müssen sichtbar gemacht, in ihren Kontext eingeordnet und erklärt werden!“
Salewski stellt klar: „Die SPD hat seit den achtziger Jahren immer wieder Impulse bei der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in der Stadt gesetzt, beginnend mit dem Mahnmal in der Lindenstraße und zuletzt bei der Neugestaltung der Synagogen-Gedenkstätte und des KZ-Friedhofs im Tiergarten. Wir wissen aber auch, dass wir uns immer wieder neu mit den Fragen nach Erinnern und Gedenken auseinandersetzen müssen.“ Und von Mansberg blickt nach vorne: „Im März werden wir als SPD auf einem Rundgang zu einigen der wichtigsten und umstrittensten Plätze des Gedenkens hier in Lüneburg unser Wissen vertiefen und gemeinsam darauf drängen, dass sie als Orte des Gedenkens, Erinnerns und Lernens sichtbar bleiben oder werden.“