OVG Lüneburg: Kunst an der Wand und Rechtsprechung im Saal
„Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (OVG) hat die Aufgabe, dem Bürger gegenüber dem Staat zu seinem Recht zu verhelfen“, sagte Dr. Herwig van Nieuwland, Präsident des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts. Bei ihm waren die Mitglieder der SPD Arbeitsgemeinschaft 60 plus aus Lüneburg, am Mittwoch, dem 12.5.2010, zu Besuch. Gemeinsam mit Dr. Jürgen Rettberg, dem Vorsitzenden Richter des 10. Senats, berichtete er über die Arbeit des OVG und beantwortete viele Fragen.
Seit dem 1.4.1949 gibt es das OVG Lüneburg. Bis 1991 war es gemeinsames Gericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Darum hieß es OVG Lüneburg. Nach der Trennung erhielt es den offiziellen Namen Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht. Im Sprachgebrauch blieb es aber das OVG Lüneburg. 33 Richter sprechen in 11 Berufungssenaten und einer ganzen Reihe von Fachsenaten Recht. Vor 10 Jahren waren das noch 45 Richter. Eigentlich müssten 36 Richterstellen besetzt sein. Kein Wunder also, dass Dr. van Niewland über sehr hohe Arbeitsbelastungen sprach. Aus allen sieben Verwaltungsgerichten Niedersachsens kommen die Berufungsverfahren nach Lüneburg, weil es in Niedersachsen nur ein OVG gibt. „Die Tendenz, die Stellen in der Öffentlichen Verwaltung zu reduzieren, macht vor den Gerichten nicht halt“, so der OVG-Präsident. Wissenschaftliche Zuarbeiter gibt es beim OVG nicht. Den Richtern steht jedoch ein umfassendes DV-System zur Verfügung.
Die zu geringen und fehlenden Richterstellen trügen zu den oftmals zu Recht geklagten langen Laufzeiten von Gerichtsverfahren bei. Zurzeit müssen rund 4.000 Verfahren pro Jahr abgewickelt werden. Insgesamt sind circa 100 Mitarbeiter am OVG Lüneburg tätig. Für eine wirksame Beschleunigung wären mehr Richterstellen der beste Weg. Leider geschähe genau das Gegenteil. Im Übrigen meinte er: „Schnelles Recht ist nicht unbedingt gutes Recht!“
Scharf kritisierte Dr. Herwig van Nieuwland, dass unter dem Schlagwort „Schlankere Verwaltung“ das Widerspruchsverfahren abgeschafft worden ist. Seit dem gibt es die verwaltungsinterne Überprüfung, zum Beispiel von Gebührenbescheiden, nicht mehr. „Dem Bürger bleibt nur noch der Weg zum Gericht, falls er mit einer Amtshandlung nicht einverstanden ist“, sagte er. „Menschen mit geringem Einkommen scheuen die Gerichtsgebühren, die höher sein können als der Streitwert im Einzelfall.“ Am Beispiel des Gebührenbescheids zeigte er auf, dass es um kleine Beträge aber um viele Tausend Betroffene gehen kann.
Dazu kämen weitere Hürden. So sind die Gerichtsgebühren vom Kläger bei Einreichung der Klage im Voraus zu zahlen. Beim OVG sind das mindestens 75 Euro, die je nach Streitwert aber auch deutlich höher sein können. Außerdem gebe es beim OVG den Anwaltszwang. Ein komplexes Zulassungsverfahren muss dann auch noch überwunden werden. Zusammenfassend meinte der Präsident des OVG, dass der „Rechtsschutz für kleine Leute reduziert wurde“ und das halte er für eine bedenkliche Entwicklung.
Ein zweites Thema lag im offensichtlich auch sehr am Herzen. Der Präsident des OVG beklagte, dass es in Niedersachsen im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern, keine Verfassungsbeschwerde beim Staatsgerichtshof gibt. Der Verwaltungsgerichtsweg in Niedersachsen ist nur zweistufig: sieben Verwaltungsgerichte und ein Oberverwaltungsgericht. Danach bliebe nur noch der Weg zum Bundesverwaltungsgericht, das jetzt in Leipzig ist. Das soll dann über Maßnahmen der Niedersächsischen Verwaltung entscheiden, kritisierte Dr. Nieuwland. Er verstehe nicht, warum zum Beispiel die SPD nicht längst die Initiative ergriffen habe, um das zu ändern.
Zum Abschluss besichtigten die SPD‘ler ein Beratungszimmer, ein Richterbüro und die Bibliothek, die auch der Öffentlichkeit zugänglich ist. Beeindruckt waren sie von den Kunstwerken in den Sitzungssälen. Schüler des Kunst-Leistungskurses des Abiturjahrgangs 2004 des Gymnasiums Oedeme haben Bilder und Objekte geschaffen zum Thema „Begegnungen“ und „Kaleidoskop der Paragraphen“. (Siegfried Kubiak)