Durch das wilde Badakhshan
In ungewohnter Umgebung, nämlich im Offizierskasino in der Theodor-Körner-Kaserne, traf sich am Mittwoch, dem 11.3.2009, die SPD Arbeitsgemeinschaft 60 plus mit einem Hauptmann der Bundeswehr. Er war, gemeinsam mit rd. 450 Bundeswehrsoldaten, im Auftrag der Vereinten Nationen, im Rahmen der International Security Assistance Force (ISAF) im Norden Afghanistans, in Faizabad, in der Provinz Badakhshan, im Einsatz und wird demnächst erneut in das dort arbeitende Provincial Reconstruction Team – PRT abkommandiert werden.
Er betonte die assistierende Rolle der ISAF und damit auch der Bundeswehr. Es müsse in Afghanistan eine hinreichende Sicherheit und ein stabiles Umfeld erreicht werden als Voraussetzung für eine nachhaltige wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung, für einen zivilen Wiederaufbau. „Nach dreißig Jahren Krieg wünschen die Menschen nichts sehnlicher, als dass ihre Kinder in die Schule gehen, etwas zum Essen haben und in Frieden leben können“, berichtete er. Das gefalle allerdings denjenigen nicht, die dadurch ihren Machterhalt und ihr Geldverdienen in Gefahr geraten sehen.
Die Bundeswehrsoldaten müssten dieses sichere Umfeld schaffen, weil die afghanische Polizei und das Militär noch zu schwach wären. Neben der offiziellen Staatsorganisation gäbe es inoffizielle Machtstrukturen mit lokalen Machthabern, die häufig mehr zu sagen haben als die offiziellen Verantwortlichen. Korruption, Kriminalität, insbesondere Drogenkriminalität und das Decken der Aufstandsbewegung seien wesentliche Faktoren für die angespannte Sicherheitslage. Dazu kämen dann noch die religiöse Motivation der Aufständischen. Der Aufbau leistungsfähiger Streit- und Polizeikräfte ist deshalb besonders wichtig. Genauso wichtig ist aber auch, dass stets die Afghanen selbst die Richtung der Entwicklung bestimmen. Die Rolle der ISAF ist eine helfende und unterstützende. Wie das konkret abläuft schilderte der Bundeswehrhauptmann an einem Beispiel aus dem Distrikt Varduy.
Zuvor hatte er auf anschauliche Weise erzählt, wie es in dieser Bergregion zugeht, deren höchste Gipfel ca. 7.500 m hoch aufragen. Ein unwegsames Gebiet mit Grenzen zu Tadschikistan, China und Pakistan. So gäbe es zum Beispiel nur eine einzige Straße nach Kunduz. Die sei jedoch nicht geteert, sondern eine Geröllpiste, wie alle anderen Straßen auch. Die meisten Straßen, das müsse man wissen, seien mehr oder weniger bessere Feldwege, auf denen man nie weiß, wie es nach der nächsten Kurve aussieht. Bei Regen verwandeln sich viele Straßen in Schlammlöcher. Eingestürzte Brücken, abgerutschte Straßenböschungen und Gerölllawinen, die eine Straße unpassierbar machen, gehörten zum Alltag. Er zeigte Foto von Patrouillenfahrten, die das alles illustrierten. Weil es in Felsen geschlagene Durchfahrten gibt, die für gepanzerte Fahrzeuge zu eng sind, werden Patrouillenfahrten, die immer gemeinsam mit Afghanen stattfinden, in offenen Geländewagen durchgeführt. Die Versorgung des PRT in Faizabad erfolge durch die Luft. Aber der Flughafen in Faizabad kann von Bundeswehr-Transportflugzeugen nicht angeflogen werden. Flugzeuge anderer Nationen bringen die notwendigen Güter. Im
Sommer sei es extrem heiß. Schon am Morgen zeige dann das Thermometer + 40 Grad Celsius. Dem Sommer folge ein sehr kurzer Herbst und dann extreme Kälte im Winter. Die Bevölkerung leide unter einer katastrophalen Versorgungslage: kein Strom, keine Wasserversorgung. Überall treffe man auf abgemagerte Menschen, die krank sind. Die Menschen leben von Landwirtschaft und Handel.
In der Diskussion ging es dann um Fragen zur Strategie, wie die Soldaten ausgewählt und nach der Rückkehr betreut werden. Gefragt wurde nach der Dauer des Auslandseinsatzes und über die Bezahlung der Soldaten. Zweifel, ob es überhaupt richtig ist, dass die Bundeswehr in Afghanistan ist, gab es auch. Im Schlusswort betonte der Hauptmann, dass es, nachdem die afghanische Regierung um militärische Hilfe durch die Vereinten Nationen nachsucht hatte, aus seiner Sicht für den Einsatz der ISAF-Truppen und für die Beteiligung der Bundeswehr keine Alternative gäbe. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gingen sehr nachdenklich und in kleinen Gruppen weiter diskutierend zu ihren geparkten Autos zurück.