„Der Wegfall des Pendelns zwischen Arbeitsamt und Sozialamt, genauso wie das Prinzip von fördern und fordern sind Vorteile der gesetzlichen Neuregelungen im SGB II“, sagte Günter Zimmermann, Kirchenkreissozialarbeiter/Diakon, Abteilungsleiter der Sozialberatung im Diakonieverband der Ev.-luth. Kirchenkreise Lüneburg und Bleckede. Im Sozialgesetzbuch (SGB), Teil II, sind die Hartz IV-Leistungen, wie sie allgemein genannt werden, geregelt. Zimmermann und Thomas Bolle, Bereichs-leiter der ARGE Lüneburg, waren die Gesprächspartner der SPD-Arbeitsgemeinschaft 60 plus, am Mittwoch, dem 10. Juni 2009, im Brau- & Tafelhaus Mälzer in Lüneburg. Die ARGE ARBEIT UND GRUNDSICHERUNG in Lüneburg ist eine Arbeitsgemeinschaft der Bundesagentur für Arbeit (BA) mit dem Landkreis Lüneburg

Bolle eröffnete mit einer kurzen Darstellung der Aufgaben der ARGE. Vorrangiges Ziel der 140 Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter in der ARGE sei die Heranführung der Empfänger von Arbeitslosengeld II, das ist der offizielle Name der Hartz IV-Leistungen, an den 1. Arbeitsmarkt. Das wäre manchmal sehr schwierig, weil es z.B. gesundheitliche Einschränkungen oder Behinderungen gäbe, kein ausrei-chender Bildungsstand vorhanden wäre oder vorab erst eine persönliche Stabilisierung als Voraus-setzung für eine Eingliederung nötig sei. In jedem Einzelfall werde ein konkreter Plan, eine sogenann-te Eingliederungsvereinbarung, erstellt. Er informierte ausführlich über die Zusammensetzung, Höhe und Finanzierung der Hartz IV-Leistungen einschließlich der Verbesserungen für Kinder.

Zimmermann, der tagtäglich Beratungsgespräche mit Hartz IV-Empfängern führt, sah es als großen Vorteil für die Betroffenen an, dass die „Pendelei“ zwischen Sozialamt und Arbeitsamt aufgehört habe. Das Ziel, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe unter einem Dach zusammenzuführen, sei jedoch leider nicht ganz erreicht worden, weil die BA die Regelleistungen und die Kommunen die Mietkosten finanzieren. „Es werde sehr deutlich, dass das SGB II ein Arbeitsgesetz und kein Fürsorgegesetz mehr ist“, meinte er und wies darauf hin, dass alles nur noch auf Antrag gehe. Deutlich werde das auch an den im Gesetz vorgesehenen Sanktionen (Sperrzeiten).

„Was geschieht, wenn das Geld zu Ende und noch viel Monat übrig ist?“, fragte Zimmermann. Das sei das Problem schlechthin, sobald ein Hartz IV Empfänger eine Arbeit annimmt. Die ARGE stellt dann sofort die Zahlungen ein. Der neue Arbeitgeber zahlt aber in aller Regel erst am Ende des Einstel-lungsmonats Lohn oder Gehalt. „Wovon sollen die Betroffenen und die Familienmitglieder bis dahin leben?“ Gleiches trete ein, so Zimmermann, wenn ein Hartz IV-Empfänger in Rente geht. Hierfür sieht das Gesetz keine Lösung vor. Freunde, Familie, Wohlfahrtsverbände oder Unterstützungsein-richtungen, wie in Lüneburg „Der gute Nachbar“, müssen helfen. „Das ist eine absurde Gesetzesla-ge“, kritisierte Zimmermann.

Ein anderes großes Problemfeld seien, so Zimmermann, die Energiekosten. Niemand könne die so genau planen, dass der Verbrauch immer mit den Pauschalen übereinstimme. Wenn die Jahresend-abrechnung kommt und eine Nachzahlung fällig werde, dann reicht dafür oft das Geld nicht. In sol-chen Fällen drohe die Stromsperre. Betretenes Schweigen gab es, als Zimmermann auf die Frage, ob er schon einmal erlebt habe, das der Strom abgeschaltet worden sei, lapidar antwortete: „Natürlich!“ In Lüneburg gäbe es ca. 100 Haushalte, die ohne Strom leben müssen. Zimmermann erzählte aber auch, dass die EON in Lüneburg immer wieder durchaus kulant reagiere. Das jedenfalls wäre seine Erfahrung.

„Man stelle sich nur vor, die Waschmaschine geht kaputt. Für die Reparaturkosten muss dann mona-telang gespart werden, weil solche Aufwendungen mit kleinen Teilbeträgen in die Regelsätze einkal-kuliert sind“, erläuterte Zimmermann. Die Gefahr der unverschuldeten Verschuldung sei bei Hartz IV-Empfängern sehr groß. Schuldnerberatung sei daher häufig notwendige Dienstleistung. Gut sei, dass direkte Mietzahlungen durch die ARGE an den Vermieter vereinbart werden können. Leider höre er immer wieder, dass Menschen nicht zum Arzt oder Zahnarzt gehen könnten, weil sie das Geld für die Praxisgebühr nicht hätten.

Die Problematik der sogenannten „Aufstocker“, das sind Menschen die arbeiten, aber damit so wenig verdienen, dass das Einkommen niedriger ist als die Grundsicherung nach Hartz IV, wurde engagiert diskutiert. Bolle erläuterte, dass in vielen Fällen diese Differenzen durch die Familienleistungen bei Hartz IV begründet sind. Das Thema „1-Euro-Jobs“ wurde ebenfalls ausführlich diskutiert.

Am Schluss wurde festgestellt, dass die Zeit für dieses umfangreiche Politikfeld einfach nicht ausge-reicht hat. „Das Thema wird uns weiter beschäftigten“, versprach Martin Pustowka, Vorsitzender der SPD-Arbeitsgemeinschaft 60 plus. (Siegfried Kubiak)